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Der Frührentner

 

11 Uhr am Vormittag. Ein Sommertag wie er in Büchern aus der alten Zeit beschrieben wird.Der Frührentner liegt auf der Liege im Garten und kämpft mit der Tageszeitung. . Hier muss allerdings ein weiterer nicht zu unterschätzender Beteiligter angegeben werden. Es weht ein leichter Sommerwind. Nichts Ernsthaftes, der Wetterbericht fand die Luftströmungen kaum erwähnenswert.

Zwischen einer Tageszeitung und dem Sommerwind scheint eine konstante Feindschaft zu bestehen,

 

 

zumal bei den großen überregionalen Blättern wie zum Beispiel der Bild Zeitung und dem Neuen Deutschland. Die Herausgeber dieser Blätter scheinen nicht nur in der Auflagenhöhe, sondern auch in der Blattgröße miteinander zu konkurrieren
Halt, da fehlt noch eine Angabe. Welcher Wochentag ist es? Sonntag ist schwer möglich, denn an diesem Tag erscheint die Tageszeitung nicht. Sagen wir einfach einmal Donnerstag. Es kann aber auch ein Dienstag sein.
Für den Frührentner sind diese Wochentage gleich.Der Wochentag wird zumeist nur vom Putztag der Ehefrau, auch eine fast Frührentnerin, bestimmt. Für diesen Tag bekommt das Leben einen ganz

anderen Ablauf.

Was oder wer ist eigentlich ein Frührentner?Aus meiner Kindheit kenne ich nur den Pensionär und den Rentner. Ein Pensionär war etwas besseres, etwas höher Angesiedeltes,

also ein aus dem Arbeitsleben ausgeschiedener Beamter. Wieder etwas falsch gesagt, ein Beamter schied nicht aus dem Arbeitsleben aus, sondern (hier begeben wir uns in den Bereich der Witze über die Beamten, aber diese nur teilweise zutreffende Beschreibung der Tätigkeit eines Beamten möchte ich weitgehend vermeiden.) ging in den Ruhestand. Der Rentner war ein sehr alt wirkender Mensch, dem man deutlich die vergangenen Jahre ansah.

Seit wann gibt es den Frührentner?Im Lexikon von 1970 finde ich den Begriff noch nicht.

Man kennt dort wohl schon die Bezeichnung Frühreife. Unter dem Begriff Frühreife steht folgende Eintragung: "... besonders starke Verfrühungen können zu abnormen und krankhaften Erscheinungen führen". Dieses kann aber wohl nicht mit der Einführung des Frührentners gleich gestellt werden. In der Erinnerung verbinde ich den Frührentner mit dem Bergbau, wo man früher in Rente gehen konnte. Das ist schon im Ansatz richtig. Auch aus der Politik sind mir Wortverbindungen dieser Art mit

bestimmten Personen bekannt. Zusammenfassend möchte ich sagen, dass Frührentner noch nicht gebrechliche Rentner sind. Sie befinden sich im Vorrentnerstand. Meistens sind sie so Fit, wie es Jüngere gerne sein möchten. Die Regierung sagt 2001: Es gibt nach der Statistik im Jahr 2001 200.000 neue Frührentner, das sind 20 Prozent der Rentner. Bei den Männern machen am häufigsten die Knochen nicht mehr mit, bei den Frauen die Seele.

Wenn es nun einen Frührentner und einen Rentner gibt,so ist die Schlussfolgerung, dass es auch einen Spätrentner geben muss. Natürlich, liebe Feministinnen, auch eine Spätrentnerin. Spätrentner

sind Rentner, welche die Zeit der Busreisen und Kaffeefahrten mit den dazugehörenden Heizdecken hinter sich gebracht haben. Das Kurzzeitgedächtnis ist nicht mehr so gut wie der folgende Witz klar ausdrückt. Da sagt die Ehefrau: "Du könntest heute einmal einige Sachen für mich einkaufen. Ich brauche Vanilleeis, Schlagsahne und Erdbeeren. Soll ich dir dieses aufschreiben?" Entrüstet bemerkt unser Spätrentner, dass dieses noch nicht notwendig sei. Nach einer Weile kommt der Kaufbeauftragte zurück. Stolz packt er ein halbes Hähnchen und Pommes Frites aus. Zu Recht weist ihn die Ehefrau mit der Bemerkung zurecht: "Siehst du, ich wollte es dir aufschreiben, das hast du davon. Jetzt hast du die Mayonnaise vergessen!" Aber diese Beschreibung des Zustands ist wohl etwas übertrieben.

Spätrentner sind Rentner mit einem etwas eingeschränkten Bewegungsradius,sowohl beim Gehen als auch beim Bücken, aber leider auch manchmal etwas beim Denken. So ein Spätrentner liegt nicht auf der Liege im Garten und kämpft mit der Zeitung. Er hat anderes zu tun. Er muss zum Beispiel immer wieder zum Arzt gehen, weil er ja die 10€ schon bezahlt hat, für das Quartal. Der Blutdruck und die Prostata müssen auch wieder kontrolliert werden
.
Das Lesen eines Buches bei leichtem Wind bereitet kein Problem.

 

Auch ein Magazin mit vielen bunten Bildern kann man fast ohne Schwierigkeiten umblättern. Mit einer großen Tageszeitung hingegen, als Frührentner im Garten auf der Liege liegend, bekommt man diese kleinen Scharmützel zwischen Wind und Zeitung bis zur Verzweiflung mit. Mal klappt die Ecke mit dem Leitartikel um, mal bemüht sich der Wind, die Blätter korrekt so zu trennen, dass genau das zu Lesende verdeckt wird.

 

 

 

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Etwas Abhilfe bringt das Aufteilen der Zeitung in einzelneBlätter

Doch wohin mit den noch nicht gelesenen Seiten? Wenn der Nachttau schon getrocknet ist, kann man auf der rechten Seite neben der Liege die gelesenen Blätter ablegen und mit dem rechten Latschen beschweren. Logischer Weise kommen dann links die ungelesenen Blätter unter das linke Schuhwerk. Dann braucht man nur noch einen günstigen Augenblick im Kleinkrieg zwischen Wind und Zeitung abzupassen, kann die Zeitung zusammenraffen, um dem Ruf der Ehefrau zu folgen: "Heinz-Dieter, du musst bei diesem Wetter mehr trinken."

Die Ärzte haben gut reden.Zwei bis drei Liter Flüssigkeit am Tag, am besten einfaches Wasser oder irgendeinen Tee. Ob eigentlich alle Gesundheitsapostel wissen, wie viel Gläser Flüssigkeit drei Liter Wasser für einen Frührentner sind? Am Besten geht es mit Bier.Natürlich nur das gute Radeberger, oder Wernesgrüner, da machen die paar Gläser gar nichts aus. Aber mehr als 3 Liter ist auch nicht ratsam, sonst kann man die Zeilen nicht mehr erkennen. Im Garten muß auch etwas getan werden und dann kann es passieren, das Unkraut bleibt stehen und alles andere ist fein säuberlich ausgerissen.
Jetzt bin ich doch tatsächlich etwas vom Thema abgekommen.Mein Freund (Feind), der Baum! Wie ein riesengroßer Sonnenschirm spendet er mir Schatten, der Baum. Dabei ist die Bezeichnung Baum für diese 25 Meter hohe und auch entsprechend breite Eiche fast eine Untertreibung. Diese riesige deutsche Eiche ist dabei noch nicht einmal mein Baum. Er steht auf dem Grundstück meines südöstlich von mir wohnenden Nachbarn Wolfgang, genau auf der Grenze zwischen den Grundstücken. Aber der Schatten gehört mir. Auch das Säuseln oder Rauschen des Windes in den Ästen und Blättern gehört allein dem Frührentner mit der Zeitung an einem schönen Sommertag.
Elf Monate im Jahr ist die deutsche Eiche mein Freund.Da stört es auch nicht, wenn ich im Herbst die Eicheln mit dem Mäher in den Grasfangkorb schleudern muss, macht zwar einen höllischen Lärm, aber es geht. Man könnte die Eicheln auch zusammenrechen und in den Wildpark nach Olderdissen schaffen, aber das macht ja nun doch etwas mehr Mühe. Ich erfreue mich auch noch an den bunten Farben des Herbstes.

Jetzt sind wir aber dem zwölften Monat,in welchem die Eiche mein Feind wird, sehr nahe. Es beginnt ganz harmlos. Am Morgen liegen einige Blätter auf dem Rasen. Natürlich, im Herbst werfen die Laubbäume ihre Blätter ab, sagen ein bisschen herablassend die Naturkenner.

Und diese verrotten in kurzer Zeit zu Humus.
Bei den deutschen Eichen ist es leider etwas anders. Die Blätter sind fast lederartig hart und halten jahrelang allen Witterungseinflüssen stand. Sogar das Vergraben zeigt nach einem Jahr keine Wirkung. Im Gegenteil, die paar Eicheln, die beim vergraben mit reingeschlittert sind, treiben schon wieder neue Bäume aus. Bei Nichtbeachtung der jungen Triebe, hat man in 10 Jahren einen schönen Eichenwald. Für den Spätrentner kein Problem, denn die Uhr läuft ja bereits. Aber der Frührentner kann bestimmt in 20 Jahren schön in dem Eichenwald Pilze suchen. Ist auch nicht schlecht, aber man muß auch die Richtigen sammeln. Aber ich verplaudere mich schon wieder.

Da ist mir aber doch der Monat danach noch lieber, obwohl es da auch Schwierigkeiten geben kann. Ich erinnere nur an das Jahr 2004 als es so geschneit hatte. Aber jetzt liegt das restliche Laub unter einer schönen dicken Schneedecke und wartet auf den Frühling.

Aber ich greife ja schon wieder vor. Jetzt mal der Reihe nach.
Vor langen Jahren, in meiner Arbeiterzeit,wurde nach dem Frühstück, am Wochenende, der Rasen abgeharkt und mit vereinten Kräften das Eichenlaub in eine kleine Tonne eingefüllt. Es wurden im Baumarkt einige Kunststoffsäcke gekauft und das Laub bei Bedarf umgefüllt. So vier Säcke kamen schon zusammen. Von Jahr zu Jahr wurde der Bedarf an Säcken größer. Auch konnte man leichtes Stöhnen beim Aufsammeln des Laubes hören.
In der Nachbarschaft konnte man an den Geräuschen erkennen, dass man dort mit einem Laubsauger zu Werke war. Nachfragen brachten kein zufrieden stellendes Ergebnis für das Entfernen der dort wesentlich geringeren Mengen des Laubes.
Es kam das Jahr in der Frührentnerzeit,wo das Zusammenrechen des Laubes zwar gerade noch möglich war, aber schon nicht mehr täglich durchgeführt wurde. Durch die nun zwölf vollen Säcke wurde der Eichenbaum zum Feind erklärt.
Seit vielen Jahren hatte der Frührentner einen Computer. Im Internet kann man sich über fast alles schlau machen. Es wurde zunächst nach Laubsaugern mit einem großen Auffangsack gesucht. Solche Laubsauger gibt es, leider jedoch nur mit einem Benzinmotor und mit Behältern, welche man in die zum Abtransport bestimmten Laubsäcke umfüllen muss. Aus den Erfahrungen mit dem schlecht anspringenden Benzinrasenmäher fielen derartige Geräte bei der Auswahl aus.

Gartenforum wurde mit der Anfrage konfrontiert:Was haltet ihr von einem Laubsauger und gibt es einen Elektrosauger, welcher das Laub direkt in Säcke füllt? Da war dann aber richtig was los. Die Naturschützer waren fast nicht mehr abzuzählen. Angefangen beim Igel, welcher zum Überwintern das Laub benötigt, bis zur Gartenfreundin, die das zusammengeharkte Laub auf dem Gartentisch ausbreitet, damit die Kleininsekten flüchten können, waren viele negative Argumente gegen einen Laubsauger vorhanden. Sogar von Fröschen und Mäusen war die Rede. Bei den Grünen bin ich wahrscheinlich in eine schwarze Liste gekommen.
Ganz bescheiden habe ich darauf nochmals nachgefragt,wie ich die zwölf Säcke Laub vom Baum aus Nachbars Grundstück denn aufsammeln könnte. Dabei habe ich darauf hingewiesen, dass wir beide, meine Frau und ich, uns nicht mehr bücken können. Da wurden die Anzahl der Antworten sehr reduziert und auch etwas freundlicher. Beim Frührentner begannen nun verstärkt die grauen Zellen zu arbeiten. Fakt ist: Das Laub des Eichenbaumes wird immer mehr und muss entfernt werden. Bücken können wir uns nicht mehr. Es wird ein Gerät benötigt, welches das zusammengerechte Laub in die für den Abtransport benötigten Säcke füllt.
Der Konstrukteur kennt zwar nicht mehr alle seine Konstruktionen,aber etwas Denkvermögen ist noch vorhanden. Also ab in den Baumarkt. Eine Sackkarre mit eckigen Holmen und ein starker Elektrosauger mit einer großen Saugöffnung und weitere Kleinigkeiten wurden gekauft. Stoffsäcke mit großem Fassungsvermögen gab es im Landartikelhandel. Alles Weitere war für den etwas erfahrenen Heimwerker reine Fleißarbeit.

Im vergangenem Jahr war die Generalprobe fällig.Durch das Häckselwerk im Laubsauger waren nur acht Säcke notwendig, und diese konnten ohne Bücken von den Frührentnern zusammengerecht und gefüllt werden.
In diesem Sommer betrachte ich den Eichenbaum mit anderen Augen.Dass er wieder einen halben Meter in alle Richtungen gewachsen ist, vergrößert nur den schattigen Platz im Hochsommer.

Auch wenn im Schatten nur noch Moos wächst, statt Gras. Vorsorglich habe ich drei weitere Säcke gekauft. Denn wenn die Blätter fallen, hole ich den Laubsauger und mit dem Laubbesen erledigen wir Rentner gemeinsam das Aufsammeln der Eichenblätter.
Sollte jetzt jemand etwas Genaueres über das Laubsammelgerät wissen wollen, so kann das Gerät bei mir besichtigt werden. Eine ausführliche, bebilderte Bauanleitung steht gegen Erstattung der Unkosten ebenfalls zur Verfügung.
Aber das Schönste kommt ja noch.

Genau neben der großen Eiche, steht eine genau so große Rotbuche.

Um das Laub zu entfernen bedarf es noch einmal so viel Energie wie bei der Eiche.

Aber was hilft das jammern, wäre ich kein Frührentner hätte ich auch keine Zeit und der Wind würde das Laub vielleicht auf das Nachbargrundstück treiben. Aber ehe der Wind soweit ist

Bin ich schon fertig. Nur beim Zeitung lesen, da ist er immer gleich da. .

Dann ist da noch das Problem der Ameisen,

versucht man sie zu zählen, verzählt man sich bestimmt.

Schreitet man mit der Chemischen Keule ein, haben sie noch so viel Zeit, ihren Nachwuchs in Sicherheit zu bringen. Es dauert dann nicht lange und es ist wieder wie früher.

Es ist schon schön auf dem Land, aber Ideen muß man schon haben.

Wie schön wäre es, wenn man als Frührentner alle Probleme so lösen könnte!

Ein kleiner Nachtrag.

Seit Zwei Jahren ist die schöne Eiche weg. Kein Laub, kein Schatten,aber die Rotbuche hat zugelegt,

Weil sie jetzt Platz hat. Mal sehen, wie lange sie es noch aushält.

Hab jetzt im Wohnzimmer einen schönen Kamin, der wartet schon drauf.

Kommt Zeit, kommt Rat.